von Falko
Das Grundgesetz garantiert uns eine freie Entfaltung der Persönlichkeit, sofern dies nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht anderer kollidiert. Dies schließt die sexuelle Selbstbestimmung ein, die bis auf eine Gruppe asexueller Menschen, auch ein sexuelles Verlangen umfasst.
Was ist aber wenn körperliche und/oder geistige Behinderungen die Ausführung dieses Bedürfnisses verhindern oder erschweren? Nach einer Expertise von Pro familia 2005 führt dies zu einer Einschränkung des Wohlbefindens und der Bildung von Aggressionen. In Einrichtungen mit betreutem Wohnen kommt es deswegen immer wieder zu Belästigungen des Personals durch die Bewohner*innen.
Prostituierte sind jedoch oft überfordert mit der besonderen Situation dieser Menschen. Vereinzelt gibt es Lehrgänge zur Sexualbegleiter*in. So bietet beispieslweise die Fachberatungsstelle Kassandra in Nürnberg, die die Jusos Bamberg im Juli dieses Jahres besuchten, eine Ausbildung in 9 Modulen an, die sich über ein halbes Jahr erstreckt. Inhalt sind rechtliche Grundlagen, Hygiene, erste Hilfe, Kenntnisse über Behinderungen und altersbedingte Besonderheiten und Öffentlichkeitsarbeit.
Neben dem Bedarf stellt sich die Frage der Finanzierung dieser Dienstleistungen. In den Niederlanden übernehmen einige Gemeinden die Leistungen auf Antrag, in Dänemark ist das Pflegepersonal angehalten auch in diesem Bereich zum Wohlergehen der betreuten Personen beizutragen. Letzteres ist in Deutschland verboten, schließlich brauchen Sexualbegleiter*innen eine andere Qualifikation als Pflegepersonal. Als Jusos Bamberg haben wir den Grundbedarf auf sechs stündliche Sitzungen im Jahr definiert und fordern, diesen Grundbedarf in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Die Leistung soll mit zwischen 80-120 € pro Sitzung plus Anfahrt vergütet werden.
Bei der Ausführung in Institutionen, wie etwa Pflegeheimen oder betreutem Wohnen von Senioren oder Menschen mit geistigen Behinderungen, ergibt sich das Problem, dass die Betten oft nicht für zwei Personen geeignet sind, ständig dem Risiko unterliegen vom Personal eingesehen zu werden oder Sexualbegleitung nicht bekannt oder die sexuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sowohl von Mitarbeiter*innen wie Angehörigen verdrängt werden. Hinzu kommt, dass diese Dienstleistung nicht ausgeführt werden darf, wenn sich die Einrichtung in einem Sperrbezirk befindet.
Sperrbezirke gibt es für verschiedene Dinge. Den Konsum von Alkohol, für Tanzveranstaltungen (in Bamberg seit zwei Jahren etwa ab 2 Uhr Wochentags und ab 4 Uhr Nachts an Wochenenden in einem bestimmten Gebiet) oder Prostitution. In Bayern ist Prostitution in Gemeinden unter 30.000 Einwohnern seit 1976 durch Verordnung der Landesregierung gänzlich verboten. Die Bezirksregierungen können in begründeten Fällen einzelne Gemeinden ganz oder teilweise hiervon ausnehmen. Inwiefern dies noch berechtigt ist, seitdem 2002 die Sittenwidrigkeit der Prostitution in Deutschland zumindest für EU Bürger aufgehoben ist, bleibt unklar. Schließlich ist Prostitution innerhalb Europas in allen Formen – also Bordelle, Begleitagenturen, Wohnungs- und Straßenprostitution sowie Sexualbegleitung in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Griechenland – grundsätzlich legal.
Bei Gemeinden über 30.000 Einwohnern entscheidet der Bezirk, ob Teile des Gebiets von Prostitution ausgeschlossen sind. Insgesamt kann der Prostitution so nur auf einem Zehntel der Landesfläche Deutschlands in dem ca. ein Drittel der Menschen leben nachgegangen werden. Lediglich die Städte Berlin, Rostock (MV), Viersen (NRW) und Schwäbisch Gemünd (BW) verzichten laut der Onlineplattform sexworker.at komplett auf eine Einschränkung der Prostitution über das Jugendschutzgesetz und das Baurecht hinaus. Die Sperrgebietsverordnung des Bezirkes Oberfranken für die Stadt Bamberg verbietet seit dem 13.11.1981 etwa Straßenprostitution im Stadtgebiet. Wenige Ausnahmen im Industriegebiet Laubanger und am Hafen wurden 1984 aufgehoben. Am Bahnhof sowie in der Gartenstadt ist die Prostitution gänzlich verboten. Ein Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit bis zu 1000 DM (heute wohl 500 €) geahndet werden. Ein beharrliches Zuwiderhandeln stellt eine Straftat dar und kann mit bis zu 6 Monate Gefängnis und 180 Tagesätzen geahndet werden.
Das Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt Bamberg befindet sich in der Gartenstadt und damit im Sperrbezirk. Die ca. 85 Bewohner können damit dort legal keine Sexualbegleitung in Anspruch nehmen, was die Attraktivität der Anlage schmälert. Dabei können Behinderungen aufgrund von Unfällen oder Alter jede*n treffen. Eine Gelegenheit, sich über das zukünftige Wohlbefinden seiner Angehörigen und sich selbst Gedanken zu machen.