von Sophia Lösche
Natürlich ist das Thema Lärm in der Innenstadt weitaus komplexer, doch der Punkt, an dem wir Studierende am ehesten beteiligt wurden und den wir selbst am meisten persönlich wahrnehmen, ist die seit dem 31.3.2011 in Kraft getretene Bamberger Sperrzeitverordnung. Unter der Woche schließt seitdem jede Lokalität spätestens um zwei, am Wochenende um vier.
Dass diese Regelung gerade für junge Leute ein Problem darstellt, liegt auf der Hand. Dass Lärm in der Innenstadt Anwohner stören kann allerdings auch. In dieser Problematik treffen also zwei völlig konträre Bedürfnisse aufeinander. Beide Parteien erwarten vom „Lebensraum Innenstadt“ etwas anderes. Keinem von beiden kann man – bis zu einem bestimmten Grad – diese Erwartung verübeln. Aber wie kann es gelingen, diese unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut zu bringen?
Momentan ist die Lärmdebatte wieder aktuell. Das Stadtmarketing steht momentan in der Kritik auf Grund der vielen Veranstaltungen in der Innenstadt, die Bürgervereine mobilisieren weiter und im Stadtrat soll eine weitere Verlängerung der Sperrzeit beraten werden. Und das, obwohl die Anzahl der Ausnahmegenehmigungen mittlerweile offiziell halbiert wurde und inoffiziell sogar kaum noch jemand diese Genehmigungen erhält. Das Problem ist, dass keine genauen Kriterien festgeschrieben sind, die erfüllt werden müssen, um eine Sperrzeitverlängerung zu erhalten. Die Vergabepraxis des Ordnungsamts erhält einen Beigeschmack der Willkürlichkeit.
Klar ist, eine Lösung der Problematik, mit der alle einverstanden sein können, kann nur gemeinsam ausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck wurde nach der Einführung der verkürzten Öffnungszeiten ein Arbeitskreis zum Thema Sperrzeit ins Leben gerufen. Vertreten waren die Fraktionen des Stadtrats, der Bürgerverein Mitte, die Gastronomie, das Ordnungsamt und die Studierenden. Ziel war es, alle Interessensgruppen an einen Tisch zu bringen, um dort gemeinsame Vorgehensweisen auszuarbeiten. Die Idee war die richtige, alles andere ging völlig daneben. Zum einen wurde der Arbeitskreis erst nach der Einführung der neuen Sperrzeitverordnung einberufen – Studierende z.B. wurden also erst nach dem Stadtratsbeschluss aktiv an den Verhandlungen beteiligt – zum anderen war diese „gemeinsame Arbeit“ schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vom Konvent, dem Studierendenparlament der Uni Bamberg, gewählt, vertrat ich eine Zeit lang die Studierenden in diesem Gremium. Uns Studierendenvertreter*innen schlugen von Beginn an Abneigung und Vorurteile entgegen. Es herrschte größtenteils die Meinung, dass wir die einzigen Schuldigen an den Ruhestörungen sind. Andere Möglichkeiten wurden nicht in Betracht gezogen. Wir wurden und werden auch heute nicht als gleichberechtigte Bürger*innen Bambergs gesehen, sondern als Gäste, die sich so zu benehmen haben, wie es sich ein Teil der Bamberger*innen vorstellt. Weder die Polizei, noch das Ordnungsamt oder die Protokollführung nahm in diesem Arbeitskreis einen halbwegs neutralen Standpunkt ein. Kaum jemand schien wirkliches Interesse am Austausch mit der Gegenposition zu haben.
Der Höhepunkt der „gemeinsamen“ Arbeit im AK war die Besprechung der Polizeistatistik seit Einführung der neuen Sperrzeitverordnung. Die Zahl der Polizeieinsätze und die der Beschwerden der Anwohner hatten seit dem 31.3.2011 deutlich zugenommen. Die Sperrzeitverordnung schien also tatsächlich nicht zu helfen, die alten Probleme zu lindern. Auch dem Stadtrat lag diese Statistik bei nochmaliger Beratung der Sperrzeitverlängerung vor, geschrieben von der Polizeiinspektion Bamberg mit folgender Anmerkung:
„Diese Erkenntnisse wurden im „Arbeitskreis Sperrzeit“ der Stadt Bamberg im November 2011 vorgetragen. Bei den Mitgliedern des Arbeitskreises entwickelte sich eine rege Diskussion über die wohl nicht greifende Verordnung. Vor allem die Vertreter der Gastwirte und Studenten machten sich diese Bewertung zu Eigen. Die berechtigten Argumente der Vertreter der Anwohner und die sehr großzügigen Ausnahmeregelungen fanden dabei kaum Gehör.“
Dass hier von berechtigten Argumenten der einen Seite die Rede ist, offenbart die ungenügende Neutralität der Polizei in diesem Fall. Was hier deutlich wird, bestätigt meinen Eindruck, den ich schon im Arbeitskreis von der Polizei und vom Ordnungsamt bekommen habe. Sie bewerten in dieser Sache nicht objektiv und verhalten sich nicht neutral. Diese Voreingenommenheit ist mehr als bedauerlich und zeigt deutlich die Ungereimtheiten in der Grundlage der Bewertung der Sperrzeitverlängerung durch den Arbeitskreis auf.
Als einziges nennenswertes Ergebnis des Arbeitskreises könnte man vielleicht die Aktion „PartyNachtRuhe“ sehen. Auf Plakaten, Werbeflächen, Postkarten und Streichholzschachteln wirbt die Kampagne für faires Feiern mit Rücksicht und ohne Vandalismus und Wildpinkeln. Wir Studierendenvertreter*innen haben in einer Sitzung des Arbeitskreises, als die Aktion lediglich eine Idee war, unsere Unterstützung zugesichert. Allerdings mit der Bedingung, dass wir beim Entwurf und bei genaueren Besprechungen zur Verwirklichung der Idee beteiligt werden. Das ist nie passiert. Erst als die Aktion schon vollständig geplant und durchgeführt worden war, meldete man sich wieder bei uns mit der Bitte, die Plakate doch in der Uni zu verteilen. So kann eine vernünftige gemeinsame Arbeit nicht funktionieren!
Das Projekt „Arbeitskreis Sperrzeit“ ist gescheitert, die Beteiligten zerstritten wie nie. Doch wir müssen uns bemühen und weiter zusammen arbeiten, damit die Stadt für uns alle wieder lebenswert werden kann. Sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen ist der richtige Weg, doch müsste sich in einem neuen Arbeitskreis einiges ändern. Es müssten mehrere Jugendorganisationen beteiligt werden, nicht nur die Studierenden. Der Arbeitskreis müsste weniger aggressiv und wesentlich lösungsorientierter arbeiten, die Diskussionsteilnehmer*innen müssten endlich weg von ihrem stereotypen Denken. Möglich wäre ein Arbeitskreis, der zunächst einen Vorschlag für eine drei- bis sechswöchige Testphase mit Ausnahmen von der verlängerten Sperrzeit erarbeitet. Gleichzeitig sollten Alternativen überlegt werden, die die herrschenden Probleme wirklich lösen können und nicht nur Gastronomie und friedlich Feiernde bestraft. Anschließend wird den Clubs und den Feiernden eine Chance zur Bewährung gegeben. Der Arbeitskreis trifft sich daraufhin erneut, um in wenigstens zwei Sitzungen eine objektive Bewertung der Bewährung anhand von aktuellen und vergangenen Polizeistatistiken zu erstellen, um eine Empfehlung an den Stadtrat abzugeben, der diesen unmittelbar nach Eingang behandelt. Sollen auch in Zukunft Ausnahmengenehmigungen beantragt werden können, so müssen die zu erfüllenden Kriterien klar formuliert sein. Die Vergabepolitik des Ordnungsamts darf nicht willkürlich wirken.
Wir brauchen einen Kompromiss, mit dem wir alle leben können, doch die jetzige Regelung ist kein Kompromiss, sondern eine einseitig beeinflusste Entscheidung, die im Wesentlichen die Forderungen der Bürgervereine widerspiegelt, als dass sie sich beispielsweise auch an den Interessen und Vorschlägen der Gastronomen und Studierenden orientiert. Wir brauchen einen respektvollen Umgang miteinander und Interesse an den Argumenten und Problemen unserer Diskussionspartner*innen, denn eigentlich haben wir alle das gleiche Ziel: Bamberg lebenswerter gestalten. Und das geht nur gemeinsam.