Keine Verfasste Studierendenschaft – keine Kritik!

In der vergangenen Sitzung des Studentischen Konvents der Uni Bamberg verabschiedete das Studierendenparlament eine Stellungnahme der Juso-Hochschulgruppe mit nur drei Gegenstimmen. Gefordert wird die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft endlich auch in Bayern.

Hier der komplette Antrag zum Nachlesen:

Keine VS – keine Kritik. Für die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft und das allgemeinpoliti-sche Mandat in Bayern! 29.05.2013

Vor ziemlich genau vierzig Jahren wurde in Bayern und wenige Jahre später in Baden-Württemberg die Verfasste Studierendenschaft unter der Alleinregierung der CSU beziehungsweise CDU abgeschafft. Dies geschah im Zuge der gezielten Schwächung der Studierendenvertretungen: Seit Mitte der sechziger Jahre wurde in der ganzen Bundesrepublik versucht, das Mandat der Studierendenschaften einzuschränken, als diese begannen, kritische Standpunkte bezüglich internationaler Beziehungen und dem Wirtschaftssystem einzunehmen. Die Frage, mit welchem Recht eine Studierendenvertretung sich zu welchen Themen äußern darf, beschäftigte fortan viele Gerichte – nicht selten gingen Klagen bis vor die obersten Gerichte der Länder und sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht. Die Urteile fielen und fallen selten zu Gunsten der Vertreter*innen der Studierenden aus. Die Begründungen dazu beziehen sich auf das Recht des oder der Einzelnen auf freie Willens- und Meinungsäußerung: Diese sei nicht mehr gewährleistet, wenn sich Studierendenschaften zu allgemeinpolitischen Themen äußern, da sie auch diejenigen vertreten, die einen anderen Standpunkt haben. Denn zum Beitritt kann man sich nicht entscheiden, sondern er erfolgt bei der Immatrikulation automatisch. Der Studierendenschaft als Organ des Staates ist es grundsätzlich verwehrt, sich in der allgemeinpolitischen Meinungs- und Willensbildung der Studierenden zu betätigen, damit dieser Prozess grundsätzlich „staatsfrei“ bleibt. Dass die Meinungsbildung in einer freien Demokratie natürlich von Einzelnen, von Parteien und Verbänden, nicht aber vom Staat ausgehen soll, ist unstrittig. Problematisch ist bei der Begründung lediglich, ein demokratisch gewähltes Parlament als „Staatsorgan“, quasi Behörde, zu betrachten und ihm nicht die Rechte eines Interessensverbandes, wie den Schutz durch das Grundgesetz, zuzugestehen, sondern es lediglich als potentiellen Grundgesetzverletzenden zu behandeln. Es entbehrt in unseren Augen auch jeder Logik, warum denn dann hochschulpolitische Äußerungen getätigt werden dürfen: Sie können ebenso nie die Meinung eines jeden einzelnen Mitglieds der Studierendenschaft repräsentieren und greifen aktiv in die politische Willensbildung ein.

Doch nicht genug mit der Eingrenzung des politischen Mandats in den beiden südlichsten Bundesländern. Mit der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft wurde die allgemeine Organisationsmöglichkeit der Studierenden bis auf wenige Überreste eliminiert. Statt sich von Beiträgen (heute in der Regel zwischen 5 und 10€ pro Semester) finanzieren zu können, mussten die Vertreter*innen aus Bayern und Baden-Württemberg fortan ihren Etat von der Universität, also vom Bayerischen und Baden-Württembergischen Staat, beziehen. Das bedeutet, jeder finanzielle Posten muss einzeln beantragt werden und es wird durch zuständige Beamte geprüft, ob die Studierendenvertretung hier im Sinne ihrer Aufgaben rechtmäßig Geld ausgeben möchte. Bei Bewilligung wird das durch Privatpersonen vorgestreckte Geld wieder rückerstattet, bei Nicht-Bewilligung nicht – selbst wenn sich alle Gremien der Studierendenvertretung dafür aussprächen. Negativ ist daran nicht nur der unnötige Bürokratieaufwand. In einer Verfassten Studierendenschaft wird den nach den demokratischen Grundsätzen gewählten Vertreter*innen anvertraut, über Verhältnismäßigkeit und Aufgabenerfüllung selbst zu urteilen; hier werden lediglich durch staatliche Finanzprüfer Jahresbilanzen kontrolliert. Ganz davon zu schweigen ist dort der Etat gemessen an Studierendenzahlen fünf- bis zehnmal so groß, so dass die Studierendenvertretung ganz andere Möglichkeiten hat, die sozialen, kulturellen und fachlichen Interessen der Studierenden angemessen zu vertreten, also die per Bayerischem Hochschulgesetz auch dem Studentische Kon-vent beziehungsweise der Studierendenvertretung vorgeschriebenen Aufgaben zu erfüllen. Mit einer Verfassten Studierenden-schaft können die Studierenden selbst entscheiden, wie viel Geld sie für professionelle Rechts- und BaFöG-Beratung oder sozialpsychologische Beratungsstellen ausgeben sollen. Das Studentenwerk, in dessen Ermessen die Bereitstellung dieses Angebots bisher liegt, erfüllt diese Aufgabe nicht ausreichend. Außerdem können Verfasste Studierendenschaften im Gegensatz zur bayerischen Studierendenvertretung wegen des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Vertragspartner auftreten. Dadurch können die gerade beschriebenen und weitere soziale und kulturelle Angebote überhaupt erst ermöglicht werden, zum Beispiel kostendeckende Autovermietung, das Betreiben von Kulturzentren oder die Unterstützung sozialer Projekte und vieles mehr.

Es drängt sich geradezu auf, die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft im damaligen zeitlichen Kontext als gezielte Schwächung von unliebsamen kritischen politischen Positionen zu interpretieren. Wie könnte man die Repression auch anders bewerten, wenn der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Hans Filbinger, der die Abschaffung 1977 vorantrieb, vom „sumpfigen Umfeld des Terrorismus“ redete, das es „auszutrocknen“ gelte, oder von „Brutstätten des Radikalismus“, wie Helmuth Kohl fürchtete? Nach knapp 35 Jahren wurde die Verfasste Studierendenschaft in Baden-Württemberg wieder eingeführt. In Bayern besteht die Regierung weiterhin auf der einschränkenden Organisationsform, wie erst vor kurzem der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Bayerischen Landtags, Oliver Jörg, CSU, auf einer Podiumsdiskussion am 6. Mai 2013 des Studentischen Konvents der Universität Bamberg klarstellte. Es könnte die Frage gestellt werden, inwiefern hier die (hochschul-)politische Willensbildung „staatsfrei“ ist. In Baden-Württemberg wurde die Verfasste Studierendenschaft nach der Wahl 2011, die zu einem Regierungswechsel führte, wieder durch Grün-Rot eingeführt.

Der Studentische Konvent der Universität Bamberg fordert die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern als einzigem Bundesland ohne AStA und Stupa, sondern mit SpRat und Konvent. Darüberhinaus soll die Verfasste Studierendenschaft mit einem allgemeinpolitischen Mandat ausgestattet sein, um eine kritische und freie Willensbildung in Bayern zu ermöglichen und, damit die Studierendenvertretung die ihr vorgeschriebenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen kann.

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